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Tierarztwissen für Tierbesitzer

Giardien bei Hund und Katze

Dr. Judith Lubjuhn-Fischer


Giardien, das ruft bei vielen leidgeplagten Tierbesitzern oftmals einen Schauer auf dem Rücken hervor- zumindest für solche, die schon den frustrierenden Kreislauf aus gefühlt ständig positiven Kotuntersuchung, Behandlung und erneuter Kotuntersuchung hinter sich haben.
Grund genug für mich hierzu einen Blogartikel zu verfassen.

Was sind Giardien?


Giardien sind eine Gruppe aus Einzellern (Giardia intestinalis), die als Darmparasiten sowohl Menschen als auch viele andere Tierarten befallen können. Hierbei gibt es verschiedene Untertypen die sich in gewissem Maße auf ihre jeweilige Spezies spezialisiert haben und sich mit Artenwechsel schwer tun.



Wie infizieren sich die Patienten?


Das fiese dabei ist, dass -je nach Studienlage- zwischen 15-25% aller Hunde (auch klinisch gesunder Tiere!) infiziert sind und auch immer wieder Giardien über den Kot ausscheiden, teilweise in hohen Mengen und Konzentrationen pro Kotabsatz.
Es reichen schon zwischen 3-10 Giardien um beim nächsten Tier zu einer Infektion zu führen, fieserweise reicht da schon das Schnüffeln an einem infizierten Kothaufen um Giardien auf die Maulschleimhaut zu bekommen und sich zu infizieren.
Leider sind Giardien in der Umgebung mehrere Monate überlebensfähig und infektiös. Es kann also gut sein, dass der Kothaufen mit dem sie ausgeschieden wurden schon lange vom Regen verwaschen wurde. Bei entsprechend hoher Giardienkonzentration im Kot reichen auch bereits kleine Reste, die beim Entfernen des Kotes zurückbleiben, um sich anzustecken.
Viele dieser Infektionen laufen klinisch unauffällig und durch den Tierhalter unbemerkt ab. Gerade bei Jungtieren und allgemein immungeschwächten oder vorerkrankten Tieren können sie jedoch zu relativ heftigen Durchfällen führen.
Die Behandlung kann sich langwierig und hartnäckig gestalten, Todesfälle kommen aber eigentlich nur bei sehr geschwächten Tieren oder solchen ohne medizinische Versorgung vor, und in fast 20 Jahren Praxistätigkeit ist mir noch kein Fall untergekommen in dem ein Patient an einer reinen Giardieninfektion verstorben ist.
Und wie gesagt: bei geschätzten 15 – 25 % aller Hunde die Giardien ausscheiden gibt es eine hohe Dunkelziffer an klinisch gesunden, aber infizierten Tieren.



Diagnose


Die Entwicklungen der modernen Tiermedizin sind da tatsächlich eine Krux: uns Tierärzten stehen sogenannte ELISA- Schnelltests zur Verfügung mit denen in kurzer Zeit (15 Minuten) ein Giardienbefall nachgewiesen werden kann. Das kann bei Durchfallpatienten natürlich sehr hilfreich sein: in kürzester Zeit steht die Ursache fest und wir können gezielt therapieren. Diese Tests sind aber leider derart sensibel, dass sie auch kleinste Bruchstücke der Erreger anzeigen- auch wenn es sich nur um nicht-infektiöse Überreste oder Teilstücke handelt die mit Sicherheit keinerlei Infektionsrisiko darstellen können.  Dazu stolperte ich über folgenden Spruch: Wer viel misst, misst viel Mist!


Giardien sind allgegenwärtig, wir finden sie heute nur leichter als früher. Es macht also keinen Sinn, jeden positiv getesteten Patienten zu therapieren-  unabhängig  davon ob Krankheitsymptome vorliegen oder nicht.



Wie äußert sich ein Giardienbefall?


Zumeist kommt es (auch über längere Zeitverläufe) zu immer wiederkehrenden Durchfällen mit blutig-schleimigen Beimengungen, teilweise mit starken Bauchschmerzen.



Wie testen wir auf Giardien?


Giardien werden nicht unbedingt bei jedem Kotabsatz ausgeschieden. Um auf Nr. Sicher zu gehen testen wir anhand einer sogenannte 3-Tages-Sammelkotprobe.
Aufgrund der hohen Sensibilität der Schnelltests auch auf kleinste, nicht infektionsrelevante Teile der Erreger testen wir in unserer Praxis mittels VetScan Imagyst der nur ganze, vollständige und infektiöse Giardien anzeigt.




Wann und wen therapieren wir?


Wir therapieren dann, wenn klinische Symptome vorliegen, sprich wenn die Patienten Durchfall haben oder blutig-schleimige Kotbeimengungen und in der Regel behandeln wir eben nicht alle Tiere des gleichen Haushaltes, sondern nur klinisch befallene Tiere.


Was macht man bei einem Mehrtierhaushalt?


Diese Frage ist nicht eindeutig zu beantworten.
Ist nur ein Tier klinisch auffällig und eine einmalige Therapie hilft bereits, kann es reichen nur dieses eine Tier zu testen und zu therapieren.
Reicht die alleinige Therapie nicht aus und es kommt immer wieder zu Rezidiven müssen alle Tiere des Haushaltes einzeln getestet werden. Eventuell ist eines der anscheinend gesunden Partnertiere der Ausscheider?
Aber: realistisch gesehen ist es unmöglich große Einrichtungen wie Tierheime frei von Giardien zu bekommen!



Was ist das Ziel der Behandlung?


In erster Linie ist das Ziel Symptomfreiheit er Patienten, den Wunsch nach Elimination des Erregers aus dem Patienten und der Umgebung muss ich leider als oft illusorisch abtun.
Realistischer ist die Reduktion der Giardien auf ein Maß mit dem das Immunsystem wieder zurecht kommt.



Wie behandelt man die Umgebung?


Die Verwendung von Dampfreinigern die Dampf mit einer Temperatur von über 60°C erzeugen sollen ist hilfreich, bei vielen Wohntextilien, Holzmöbel und -böden ist die Anwendung von heißem Dampf schlicht unmöglich.
Wichtig sind durchführbare Hygienemaßnahmen: Das Reinigen der Katzentoilette mit heißem Wasser, die Entfernung von Kot aus der Umwelt, das regelmäßige Baden um im Fell haftende Zysten zu entfernen.



Warum kommt es trotz Behandlung immer wieder zu positiven Testergebnissen?


Bei Verwendung der sogenannten ELISA Schnelltests werden auch kleinste Bausteine  einer Giardie (auch einer bereits toten!)  nachgewiesen. Und das bis zu 3 Wochen nach einer erfolgreich behandelten Infektion!
Dennoch ist eine Therapiekontrolle mittels 3-Tages-Sammelkotprobe innerhalb von 7 Tagen nach Ende der Therapie sinnvoll- nur eben nicht immer mittels ELISA Schnelltest.
Grundsätzlich schätzt man, dass man bei der Ersttherapie eine Erfolgschance von 80 Prozent hat. Da viele Patienten bei denen ein Giardienbefall klinisch relevant ist ein reduziertes Immunsystem haben, kommt es bei ihnen blitzschnell zu Reinfektionen.
Es kann aber eben auch sein, dass es zu einer spontanen Heilung kommt, unabhängig von der gewählten Therapie.



Womit behandeln wir?


Es gibt in Deutschland derzeit 2 Präparate die für die Behandlung der Giardiose bei Hund und Katze zugelassen sind: Das unter dem Markennamen Panacur® bekannte Fenbendazol und das Nitroimidazol Metrobactin®.
Wir wählen als erste Therapieoption immer das Fenbendazol, da Metrobactin® als Metronidazol eine irreversible Änderung im Darmmikrobiom hervorrufen kann.
Das ist gerade bei jungen Patienten mit noch nicht stabilem Mikrobiom schwierig, da es das Risiko erhöhen kann, in späteren Jahren an einer Futtermittelunverträglichkeit zu erkranken.
Im Internet kursiert ein Taubenmedikament namens Spartrix® dessen Wirkstoff Carnidazol dem Metronidazol recht ähnlich ist. Es ist zur Behandlung von Trichomonaden zugelassen und nicht verschreibungs- sondern nur apothekenpflichtig. Es hat den Vorteil für kleinere Patienten besser dosiert werden zu können.


Hilft kohlenhydratfreie Ernährung?


Das ist ein klassischer Fall von ungeprüfter Weiterleitung (auch gerne „Abschreiben“) genannt.
Bei Patienten mit starkem Durchfall können leicht verdauliche Kohlenhydrate sehr gute Energielieferanten darstellen. Eine normale Darmflora kann ein paar Kohlenhydrate ebenfalls gut als Energielieferant gebrauchen.
Und dringend abraten möchte ich davon klinisch kranken Patienten eine drastische Futterumstellung zuzumuten.

Dr. Judith Lubjuhn-Fischer, Michelstadt, September 2024
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